Warum hemmt die Forderung nach Technologieoffenheit den Klimaschutz?

Offenheit

Als ich das Interview im DLF von Friedberg Pflüger hörte, stieg langsam mein Ärger an. Dort plädierte er, dass die Energiewende nur durch Offenheit gegenüber verschiedenen Technologien erfolgreich sein kann. Ist Herr Pflüger nicht auf dem neuesten Stand der Diskussion? Welche Interessen verfolgt er mit solchen Aussagen?

Das Konzept der Technologieoffenheit klingt auf den ersten Blick attraktiv, da es vermeidet, sich frühzeitig auf spezifische Technologien festzulegen, und so die Innovation fördern soll. Im Kontext des Klimawandels bringt die Propagierung von Technologieoffenheit jedoch mehrere Probleme mit sich:

1. Verzögerung von Maßnahmen

  • Langsame Umsetzung: Technologieoffenheit kann zu einem "Abwarten" führen, in der Hoffnung, dass zukünftige Technologien effizienter oder günstiger sein könnten.
  • Gefahr des "Technologie-Mirage-Effekts": Der Fokus auf Technologien, die noch nicht marktreif sind (z. B. Kernfusion oder großskalige DAC), kann dazu führen, dass notwendige Maßnahmen mit vorhandenen Lösungen (wie erneuerbaren Energien) verzögert werden.

2. Fokus auf ineffiziente oder nicht nachhaltige Technologien

  • Ressourcenverschwendung: Der gleichzeitige Versuch, viele verschiedene Technologien zu entwickeln und zu testen, kann finanzielle und personelle Ressourcen streuen.
  • Suboptimale Lösungen: Technologien wie fossile Brennstoffe mit Carbon Capture and Storage (CCS) könnten durch Technologieoffenheit gefördert werden, obwohl sie langfristig weniger nachhaltig sind als erneuerbare Energien.

3. Fehlen klarer Prioritäten

  • Kein Fokus auf die besten Optionen: Ohne klare Priorisierung der bewährtesten Technologien besteht die Gefahr, dass effektive Lösungen wie Solar- und Windenergie nicht ausreichend skaliert werden.
  • Wissenschaftliche Konsensfindung: Technologieoffenheit kann genutzt werden, um wissenschaftlich fundierte Maßnahmen (wie den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen) zu relativieren.

4. Verzögerung politischer Entscheidungen

  • Politischer Stillstand: Technologieoffenheit kann als Vorwand genutzt werden, um notwendige regulatorische Maßnahmen (wie den Kohleausstieg oder die Einführung von CO₂-Bepreisung) hinauszuzögern.
  • Lobbyismus: Interessensgruppen könnten Technologieoffenheit ausnutzen, um klimaschädliche Technologien weiterhin zu fördern.

5. Risiko des Pfadabhängigkeitseffekts

  • Lock-in in ineffiziente Technologien: Wenn bestimmte Technologien, die aus heutiger Sicht nicht optimal sind, durch hohe Investitionen bevorzugt werden, können sie andere, bessere Lösungen verdrängen.
  • Beispiel: Der massive Ausbau von CCS-Systemen könnte langfristig den Übergang zu komplett erneuerbaren Energien verlangsamen.

6. Fehlinvestitionen und hohe Kosten

  • Unnötige Doppelstrukturen: Investitionen in parallele Technologiepfade könnten vermeidbare Kosten verursachen, ohne signifikanten Mehrwert für den Klimaschutz.
  • Beispiel: Der parallele Ausbau von Wasserstofftechnologien für Heizungssysteme könnte unnötig sein, wenn Wärmepumpen effizienter sind.

7. Vernachlässigung des Zeitfaktors

  • Dringlichkeit des Handelns: Der Klimawandel erfordert schnelle und entschlossene Maßnahmen, während die Entwicklung neuer Technologien oft Jahrzehnte dauert.
  • Gefahr des "Too Little, Too Late": Technologieoffenheit kann dazu führen, dass kurzfristige Lösungen wie Energieeffizienz oder erneuerbare Energien vernachlässigt werden.

8. Fehlende globale Koordination

  • Uneinheitliche Ansätze: Technologieoffenheit kann zu einem Flickenteppich nationaler Strategien führen, anstatt global koordinierte Maßnahmen zu fördern.
  • Beispiel: Unterschiedliche Ansätze in der Wasserstoffproduktion (blauer vs. grüner Wasserstoff) können die Dekarbonisierung ineffizient machen.

Fazit

Entscheidend ist, bestehende und bewährte Lösungen wie erneuerbare Energien und Energieeffizienzmaßnahmen zu priorisieren, während parallel gezielt in die Entwicklung neuer Technologien investiert wird. Eine bedenkenlose Anwendung von Technologieoffenheit verzögert und behindert jedoch die dringend notwendige Transformation hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft.