Bauen in der Krise: Wie Deutschlands Bauwirtschaft wieder Fahrt aufnehmen kann

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Die deutsche Bauwirtschaft steckt in der Zwickmühle. Sie war jahrelang ein Wachstumsfaktor, stabilisierte die Volkswirtschaft in unsicheren Zeiten. Doch jetzt stehen die Kräne vielerorts still. Steigende Materialkosten, Zinswende und schleppende Förderungen haben die Branche in die Knie gezwungen. Vor allem der Wohnungsbau ist betroffen: Rund 700.000 Wohnungen fehlen bundesweit. Die Auftragsbücher sind leerer geworden, Projekte verzögern sich oder werden komplett aufgegeben. Ein Blick auf die Baustellen zeigt: Hier muss sich etwas ändern – schnell.

Warum die Bauwirtschaft schwächelt

Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Laut dem Hauptverband der Deutschen Bauindustrie ist der Wohnungsbau im Jahr 2023 um über 10 Prozent eingebrochen. Hinzu kommt der Einbruch der Baugenehmigungen. Die Zahl der neu genehmigten Wohnungen sank 2023 um fast 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahr – der stärkste Rückgang seit Jahren. Ohne Baugenehmigungen kann die Bauwirtschaft keine neuen Projekte beginnen, was die Auftragslage zusätzlich verschärft.

Dazu kommt der Fachkräftemangel, der seit Jahren ungelöst bleibt. Digitalisierung und Modernisierung, zwei Versprechen für eine effiziente Bauzukunft, laufen nur schleppend an. Gleichzeitig wächst der Bedarf nach neuen Wohn- und Gewerbeflächen ungebremst weiter.

Risiken der demografischen Entwicklung

Die Bauwirtschaft steht vor einer zusätzlichen, langfristigen Herausforderung: der demografischen Entwicklung. Der Rückgang der erwerbsfähigen Bevölkerung, die steigende Zahl der Rentner sowie die Abwanderung von Fachkräften in andere Branchen verschärfen den Fachkräftemangel. Schon heute fehlen in vielen Regionen Deutschlands qualifizierte Bauarbeiter, Ingenieure und Handwerker.

In einer alternden Gesellschaft könnte die Nachfrage nach neuen Bauprojekten zudem sinken, insbesondere in ländlichen Gebieten, in denen die Bevölkerungszahl kontinuierlich zurückgeht. Hier droht Leerstand statt Neubau. Gleichzeitig wird der Druck auf die Städte weiter wachsen, wo Infrastruktur und Wohnraum dringend ausgebaut werden müssen. Ohne gezielte Gegenmaßnahmen, etwa durch Zuwanderung qualifizierter Arbeitskräfte, Investitionen in Ausbildungsprogramme und Digitalisierung zur Effizienzsteigerung, könnte die Bauwirtschaft dauerhaft an Dynamik verlieren.

Sanierungsquote steigern – Ein Schlüssel zur Bauwende

Ein wesentlicher Hebel, um die Bauwirtschaft anzukurbeln und zugleich Klimaziele zu erreichen, liegt in der Steigerung der Sanierungsquote. Derzeit liegt die energetische Sanierungsquote in Deutschland bei etwa 1 Prozent pro Jahr – zu wenig, um die gesteckten Klimaziele zu erfüllen und die Bauwirtschaft zu stärken. Eine Steigerung auf mindestens 2 bis 3 Prozent jährlich könnte erhebliche wirtschaftliche Impulse setzen.

Ankurbeln – aber wie?

Experten fordern gezielte Maßnahmen, um die Branche wieder in Schwung zu bringen. Ein Bündel an Instrumenten könnte dabei helfen:

  • Förderprogramme für Wohnungsbau: Mehr Geld für Sozialwohnungen, energetische Sanierungen und energieeffiziente Neubauten könnte den Wohnungsmarkt entspannen.

  • Steuererleichterungen: Finanzielle Entlastungen für Bauunternehmen, Investoren und private Bauherren durch gezielte Steuererleichterungen können neue Projekte anstoßen und wirtschaftliche Spielräume erweitern. Die Absetzbarkeit von Sanierungskosten für private Haushalte und Unternehmen könnte den Sanierungsdruck erhöhen und die Investitionsbereitschaft steigern.

  • Gezielte Förderprogramme: Staatliche Zuschüsse und zinsgünstige Kredite zur energetischen Sanierung von Bestandsgebäuden erhöhen die Attraktivität von Sanierungsmaßnahmen für Eigentümer.

  • Niedrigzinspolitik: Die Sicherstellung eines günstigen Zinsumfelds kann Investitionen in Immobilien erleichtern und die Bauwirtschaft stärken. Günstige Kredite bieten Bauherren und Investoren die nötige Sicherheit, neue Projekte zu starten.

  • Bürokratieabbau: Schnelle Genehmigungen durch digitalisierte Prozesse würden Bauzeiten verkürzen und Kosten senken.

  • Anreize zur energetischen Sanierung: Zuschüsse, Steuervergünstigungen und Kredite zur Sanierung von Bestandsgebäuden schaffen neue Aufträge für die Bauwirtschaft und helfen, die Klimaziele zu erreichen.

  • Subventionen: Staatliche Subventionen für den Bau von bezahlbarem Wohnraum und Infrastrukturprojekten könnten unmittelbare Impulse setzen.

  • Abschaffung preistreibender Normungen: Viele Bauprojekte werden durch strenge, teilweise überflüssige Normen und Richtlinien unnötig verteuert. Eine Anpassung oder Abschaffung dieser Normen, ohne Sicherheits- und Klimaschutzziele zu gefährden, könnte die Bauwirtschaft spürbar entlasten.

  • Infrastruktur modernisieren: Investitionen in Straßen, Brücken, Schulen und digitale Netze sichern Aufträge und stärken den Wirtschaftsstandort Deutschland.

  • Second-Hand-Baustoffe: Ein bislang wenig beachtetes Potenzial liegt in der Wiederverwendung von Materialien. Stahlträger, Fenster oder Ziegel lassen sich aufbereiten und erneut verbauen. Ein funktionierender Zweitmarkt würde Baukosten senken und die Kreislaufwirtschaft stärken.

  • Ausbildungsprogramme: Zielgerichtete Ausbildungsprogramme und Umschulungen im Baubereich können dem Fachkräftemangel entgegenwirken und den Nachwuchs für die Branche sichern.

Finanzierung: Woher soll das Geld kommen?

Natürlich stellt sich die Frage nach der Finanzierung solcher Maßnahmen. Gute Ideen liegen auf der Hand: 

  • Erbschafts- und Vermögenssteuern: Eine gezielte Besteuerung großer Vermögen könnte Milliarden in die Staatskassen spülen, die für Wohnungsbau und Infrastruktur genutzt werden.

  • CO₂-Bepreisung: Einnahmen aus der CO₂-Bepreisung könnten direkt in energetische Sanierungen und nachhaltiges Bauen fließen. Klimaschutz und Bauwirtschaft würden dabei Hand in Hand gehen.

  • Öffentliche Investitionen: Der Staat selbst könnte durch massive Direktinvestitionen den Modernisierungsstau in Straßen, Bildungseinrichtungen und digitalen Netzen beseitigen.

  • Forschung und Entwicklung: Geld in die Erforschung innovativer Baustoffe, Technologien und Prozesse zu stecken, zahlt sich langfristig aus – für die Wirtschaft und für die Umwelt.

  • Anpassung der Schuldenbremse: Eine Reform der Schuldenbremse, die sie an das Wirtschaftswachstum und das Bruttoinlandsprodukt koppelt, könnte finanzielle Spielräume für wichtige Investitionen schaffen. Gerade in Krisenzeiten muss der Staat flexibler handeln können.

  • Reallokation von Haushaltsmitteln: Bestehende Budgets könnten umgeschichtet werden, um gezielt Bereiche wie Wohnungsbau, Infrastruktur und Forschung zu stärken.

Ein Kraftakt für die Zukunft

Die Bauwirtschaft ist zu wichtig, um sie in der Krise allein zu lassen. Mit gezielten Investitionen, Steuererleichterungen, ordnungspolitischen Reformen und einem Innovationsschub durch digitale Technologien und nachhaltige Lösungen wird der Sektor wieder zum Zugpferd der deutschen Wirtschaft. Das Potenzial ist da – es braucht nur den politischen Willen, es zu heben. Denn eines ist sicher: Ohne neue Wohnungen, bessere Infrastruktur und innovative Lösungen wird es schwierig, die Gesamtwirtschaft aus der Krise zu holen. Es ist Zeit zu handeln.

 

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