Warum Besserverdienende illegal arbeiten

Warum Schwarzarbeit für Besserverdienende attraktiv ist

Schwarzarbeit ist kein Phänomen, das sich allein auf Menschen mit geringen Einkommen beschränkt. Eine neue Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) offenbart ein bemerkenswertes Bild: Besonders Besserverdienende nutzen illegale Arbeitsverhältnisse, um ihren finanziellen Vorteil zu maximieren. „So arbeiteten insbesondere Besserverdienende schwarz, weil sich der Betrug für sie besonders lohnt und sich häufiger die Gelegenheit dazu ergebe“. Doch warum greifen gerade jene, die sich legale Arbeit leisten könnten, so oft zur Schattenwirtschaft? Und welche Strategien könnte der Staat anwenden, um diese Entwicklung einzudämmen?

Der Reiz der Schattenwirtschaft für Besserverdienende

Es mag auf den ersten Blick paradox erscheinen, doch Besserverdienende profitieren von Schwarzarbeit besonders stark. Der Grund liegt in der Steuer- und Abgabenstruktur Deutschlands. Wer ein hohes Einkommen bezieht, zahlt überproportional hohe Steuern und Sozialabgaben. Mit einem Spitzensteuersatz von 42 Prozent – ab einem Jahreseinkommen von 62.810 Euro – oder gar 45 Prozent für sogenannte Reiche (über 277.826 Euro) wird jeder zusätzliche Euro stark belastet. Durch Schwarzarbeit bleiben diese Abgaben erspart. Der finanzielle Gewinn ist daher für Besserverdienende besonders hoch.

Zudem ergeben sich für diese Einkommensgruppe häufig Gelegenheiten, die Schwarzarbeit zu nutzen oder anzubieten. Netzwerke und berufliche Kontakte spielen eine entscheidende Rolle: Ein Architekt, der einem Bekannten bei der Hausplanung hilft, oder ein Anwalt, der eine Rechtsberatung „unter der Hand“ durchführt, sind klassische Beispiele. Hinzu kommt, dass sich viele Besserverdienende in einer privilegierten Position befinden, die ihnen das Risiko der Entdeckung als gering erscheinen lässt.

Ein weiterer Faktor ist die gesellschaftliche Einstellung. In vielen Kreisen wird Schwarzarbeit nicht als schwerwiegendes Vergehen angesehen, sondern als Kavaliersdelikt. Besonders bei privaten Dienstleistungen wie der Beauftragung von Reinigungskräften oder Handwerkern sehen sich viele eher als „Mitspieler“ in einem ohnehin verbreiteten System.

Welche Schwarzarbeit leisten Besserverdienende?

Besserverdienende sind oft in Bereichen aktiv, in denen sie ihre berufliche Expertise oder gehobenen Netzwerke nutzen können, um informelle Aufträge zu erledigen oder anzunehmen. Typische Beispiele sind:

  • Beratungsleistungen: Anwälte, Steuerberater oder IT-Experten bieten ihre Dienstleistungen gelegentlich „unter der Hand“ an, etwa bei komplexen rechtlichen oder technischen Fragestellungen.

  • Planungs- und Ingenieurstätigkeiten: Architekten, Bauingenieure oder Designer übernehmen kleinere Projekte wie Renovierungspläne oder Bauzeichnungen im privaten Umfeld ohne offizielle Rechnungsstellung.

  • Handwerkliche Arbeiten: Gutverdienende Fachleute wie Elektriker oder Schreiner leisten häufig kleinere Reparaturen oder Einbauten privat, oft für Bekannte oder über Empfehlungen.

  • Freiberufliche Tätigkeiten: Journalisten, Fotografen oder Künstler bieten Leistungen wie Textproduktion, Bildbearbeitung oder Musikunterricht an, ohne diese Einnahmen zu melden.

  • Gehobene Dienstleistungen: Coaching, Unternehmensberatung oder Trainings für Firmen werden manchmal als informelle Nebenjobs ausgeführt.

Diese Tätigkeiten entstehen häufig durch persönliche Netzwerke oder Empfehlungen und werden selten in größere Schwarzarbeitsnetzwerke eingebunden. Gerade im gehobenen Umfeld wird der informelle Charakter solcher Dienstleistungen oft als normal angesehen.

Was der Staat dagegen tun kann

Die Bekämpfung von Schwarzarbeit bei Besserverdienenden erfordert eine kluge Kombination aus Prävention, Kontrolle und gesellschaftlichem Umdenken. Doch welche Hebel sind die wirkungsvollsten?

Steuerliche Entlastung und Vereinfachung

Eine der Hauptursachen für Schwarzarbeit ist die hohe Steuer- und Abgabenlast. Eine Senkung der Sozialversicherungsbeiträge könnte legale Arbeit attraktiver machen. Gleichzeitig sollten haushaltsnahe Dienstleistungen wie Reinigungs- oder Handwerksarbeiten steuerlich noch stärker gefördert werden. Bereits bestehende Modelle, bei denen solche Ausgaben von der Steuer abgesetzt werden können, könnten ausgeweitet werden. In Frankreich hat sich ein Gutscheinsystem bewährt, das legale Arbeitsverhältnisse stark gefördert hat.

Mehr Kontrollen und Sanktionen

Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) sollte gezielt in Branchen aktiv werden, die von Besserverdienenden stark frequentiert werden. Hierzu gehören Beratungsdienste, freie Berufe und gehobene handwerkliche Dienstleistungen. Gleichzeitig müssten die Sanktionen verschärft werden, um eine echte Abschreckung zu erreichen. Dies könnte durch höhere Geldstrafen oder den Entzug bestimmter Privilegien geschehen, etwa die Sperrung von Steuervorteilen.

Gesellschaftliches Umdenken

Besserverdienende schätzen die Risiken von Schwarzarbeit (z. B. rechtliche Konsequenzen oder Strafen) oft als gering ein. Sie fühlen sich durch ihre soziale Stellung oder ihr Wissen sicher, dass sie entdeckte Verstöße rechtfertigen oder umgehen können. Schwarzarbeit im privaten Bereich wird gesellschaftlich oft als „kleines Vergehen“ betrachtet, was die Hemmschwelle weiter senkt. Manche Besserverdienende sehen die Steuer- und Abgabenlast als unfair hoch an und rechtfertigen Schwarzarbeit für sich selbst als „Ausgleich“ oder „Kompensation“. Sie argumentieren, dass sie ohnehin überdurchschnittlich viel zum Staat beitragen und dass kleine Verstöße gerechtfertigt seien.

Zudem birgt Schwarzarbeit erhebliche Risiken für Arbeitgeber und Arbeitnehmer: Es gibt keine Gewährleistungsansprüche bei mangelhafter Arbeit und auch keine rechtliche Absicherung für Arbeitnehmer, beispielsweise im Fall von Krankheit oder Unfall. Diese fehlenden Rechte können schwerwiegende Folgen haben und verdeutlichen Schwarzarbeit langfristig unattraktiv.

Letztlich bleibt Schwarzarbeit eine Frage der gesellschaftlichen Akzeptanz. Durch gezielte Informationskampagnen könnte das Bewusstsein geschärft werden, dass Schwarzarbeit nicht nur ein Gesetzesverstoß ist, sondern auch sozialen Schaden anrichtet. Die fehlenden Abgaben treffen letztlich alle: weniger Geld für Straßen, Schulen und soziale Absicherung.

Digitalisierung und Nachverfolgung

Digitale Systeme könnten helfen, Schwarzarbeit besser zu identifizieren. Beispielsweise könnte die Blockchain-Technologie genutzt werden, um Arbeitsverhältnisse und Zahlungen transparenter zu gestalten. Auch künstliche Intelligenz kann dazu beitragen, Anomalien in Zahlungsströmen zu erkennen und damit Schwarzarbeit aufzudecken.

Einnahmeverluste durch Schwarzarbeit

Schwarzarbeit verursacht dem Staat erhebliche finanzielle Verluste. Studien zufolge entgehen dem deutschen Staat jährlich Steuereinnahmen von etwa 50 Milliarden Euro. Dies betrifft insbesondere die Einkommenssteuer, Sozialabgaben und die Mehrwertsteuer. Diese Beträge fehlen im Haushalt und könnten für öffentliche Infrastruktur, Bildung oder das Sozialsystem genutzt werden. Besonders dramatisch ist, dass diese Verluste durch eine Kombination aus gezielten Maßnahmen und einer gesellschaftlichen Sensibilisierung erheblich reduziert werden könnten.

Also

Schwarzarbeit bei Besserverdienenden ist kein Bagatellproblem, sondern ein ernsthaftes Hindernis für eine gerechte Gesellschaft. Doch während die finanziellen Anreize für diese Gruppe groß sind, gibt es zahlreiche Stellschrauben, an denen der Staat drehen kann. Steuerliche Entlastungen, verstärkte Kontrollen und ein gesellschaftliches Umdenken könnten dazu beitragen, Schwarzarbeit weniger attraktiv zu machen. Dabei gilt: Nicht allein die Bestrafung ist der Schlüssel, sondern vor allem die Schaffung von Rahmenbedingungen, die legale Arbeit zur selbstverständlichen Wahl machen.