Kennzahlen: Der Schlüssel zu fundierten Argumenten?

Zahlen, die zählen: Schlüsselindikatoren für Politik und Wirtschaft

Kennzahlen spielen eine entscheidende Rolle, um die politische und wirtschaftliche Lage eines Landes zu bewerten. Sie dienen als Orientierungshilfen für Entscheidungsträger und bürgerschaftliche Institutionen. Kennzahlen sind wichtige Grundlagen für eine relevante Argumentation. Nachfolgend beschreibe ich aus meiner Sicht die wichtigsten Kennzahlen, die in den Debatten berücksichtigt werden sollten. 

Wirtschaftliche Kennzahlen

Das magische Viereck der Wirtschaftspolitik umfasst vier zentrale Ziele: Preisniveaustabilität, hoher Beschäftigungsstand, außenwirtschaftliches Gleichgewicht und stetiges Wirtschaftswachstum. 1 2 Diese Ziele stehen oft in einem Spannungsverhältnis zueinander, was ihre gleichzeitige Erreichung erschwert. 3 

Die Analyse des magischen Vierecks erfolgt anhand spezifischer Indikatoren:

  • Preisniveaustabilität: Inflationsrate (Ziel: etwa 2%)
  • Beschäftigung: Arbeitslosenquote (Vollbeschäftigung bei unter 3%)
  • Außenwirtschaftliches Gleichgewicht: Außenbeitragsquote (Ziel: 1-2% positiver Außenbeitrag)
  • Wirtschaftswachstum: Reales BIP-Wachstum (Ziel: 2-3% stetiges Wachstum)

Inflationsrate: Die Inflationsrate, die die prozentuale Veränderung des Verbraucherpreisindex gegenüber dem Vorjahreszeitraum misst, hat weitreichende Auswirkungen auf die Wirtschaft und Gesellschaft 1. Eine hohe Inflation kann zu Umverteilungseffekten zwischen Vertragsparteien führen und die Kaufkraft der Bevölkerung verringern 2. Dies kann den Konsum und die Nachfrage beeinträchtigen, was wiederum Unternehmen dazu zwingen kann, Personal zu entlassen oder im schlimmsten Fall Insolvenz anzumelden 3. Die Europäische Zentralbank (EZB) reagiert auf steigende Inflationsraten in der Regel mit einer restriktiven Geldpolitik, was zu höheren Zinsen und einer Zurückhaltung privater Investitionen führen kann.  Allerdings ist die Geldpolitik bei angebotsseitigen Preisschocks, wie gestiegenen Energie- und Rohstoffpreisen, nur begrenzt wirksam. 4 

Produktivität: Die Produktivität gibt an, wie effizient Produktionsfaktoren wie Arbeit und Kapital eingesetzt werden, um Waren und Dienstleistungen herzustellen. Eine steigende Produktivität ist ein wichtiger Faktor für das Wirtschaftswachstum. Die Produktivität der deutschen Wirtschaft zeigt in den letzten Jahren eine stagnierende bis rückläufige Tendenz:

  • Der Index der Arbeitsproduktivität je Erwerbstätigen sank 2023 um 1,0% auf 102,43 Punkte (2020 = 100) 1
  • Die gesamtwirtschaftliche Arbeitsproduktivität, gemessen als preisbereinigtes BIP je Erwerbstätigenstunde, nahm im ersten Quartal 2024 im Vergleich zum Vorjahresquartal um 0,4% ab 2
  • Für 2024 wird ein erneuter Rückgang der Produktivität erwartet, bedingt durch ein schrumpfendes BIP bei gleichzeitig wachsendem Arbeitsvolumen 4

Diese Entwicklung wird auf verschiedene Faktoren zurückgeführt, darunter

  • Digitalisierung, Deutschland nutzt moderne Technologien unzureichend, was zu einem schwachen Impuls durch die Digitalisierung führt.
  • Sektoraler Strukturwandel: Die Verschiebung der Wirtschaftsaktivitäten hin zu Dienstleistungen hemmt die Produktivitätsentwicklung 6.
  • Überalterter Kapitalstock: Viele Wirtschaftszweige leiden unter veralteten Anlagen und Abläufen 3 5.
  • Arbeitskräftemangel: Unternehmen halten Personal trotz schwacher Nachfrage, was zu einer schlechteren Auslastung führt 4.
  • Infrastrukturprobleme: Eine verbesserungswürdige Infrastruktur sorgt für Verzögerungen im Betriebsablauf 2.

Die schwache Produktivitätsentwicklung stellt eine Herausforderung für Deutschlands wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit und zukünftiges Wachstum dar.

Wachstum: Das Wirtschaftswachstum misst die prozentuale Veränderung des BIP über einen bestimmten Zeitraum. Ein stabiles und nachhaltiges Wachstum ist essenziell für die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Verbesserung des Lebensstandards.

Arbeitslosenquote: Diese Kennzahl zeigt den Prozentsatz der arbeitsfähigen Bevölkerung, der keine Anstellung hat, aber aktiv nach Arbeit sucht. Sie ist ein Maß für die Gesundheit des Arbeitsmarktes und die soziale Stabilität.

Investitionsquote: Die Investitionsquote gibt den Anteil der Investitionen am BIP an. Sie ist ein Indikator für die wirtschaftliche Dynamik und die Bereitschaft von Unternehmen und öffentlichen Stellen, in die Zukunft zu investieren. Die Investitionen der deutschen Wirtschaft werden hauptsächlich durch die Bruttoanlageinvestitionen gemessen, die einen wichtigen Indikator für die zukünftige Wirtschaftsentwicklung darstellen. Diese umfassen Investitionen in Bauten, Ausrüstungen und sonstige Anlagen wie Software und Forschung & Entwicklung. 1 2 Das Statistische Bundesamt erfasst diese Daten im Rahmen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen. Die Investitionsquote, definiert als Verhältnis der Bruttoanlageinvestitionen zum Bruttoinlandsprodukt (BIP), lag 2023 bei etwa 21,5%2 Allerdings zeigt sich in den letzten Jahren ein besorgniserregender Trend: Seit 2020 sind Investitionsausfälle von rund 210 Milliarden Euro zu verzeichnen, was auf verschiedene Krisen wie die Pandemie und geopolitische Unsicherheiten zurückzuführen ist. 3 Diese Entwicklung gefährdet Deutschlands internationale Wettbewerbsfähigkeit und zukünftiges Wirtschaftswachstum 3 4

Staatsquote: Die Staatsquote zeigt den Anteil der staatlichen Ausgaben am BIP und gibt Hinweise auf den Einfluss des Staates auf die Wirtschaft. Eine hohe Staatsquote kann auf eine starke Rolle des Staates hinweisen, während eine niedrige auf einen neoliberalen Ansatz hindeutet. Die Investitionen der deutschen Wirtschaft werden hauptsächlich durch die Bruttoanlageinvestitionen gemessen, die einen wichtigen Indikator für die zukünftige Wirtschaftsentwicklung darstellen. Diese umfassen Investitionen in Bauten, Ausrüstungen und sonstige Anlagen wie Software und Forschung & Entwicklung. 1 2

Das Statistische Bundesamt erfasst diese Daten im Rahmen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen. Die Investitionsquote, definiert als Verhältnis der Bruttoanlageinvestitionen zum Bruttoinlandsprodukt (BIP), lag 2023 bei etwa 21,5%. Allerdings zeigt sich in den letzten Jahren ein besorgniserregender Trend: Seit 2020 sind Investitionsausfälle von rund 210 Milliarden Euro zu verzeichnen, was auf verschiedene Krisen wie die Pandemie und geopolitische Unsicherheiten zurückzuführen ist. 3 Diese Entwicklung gefährdet Deutschlands internationale Wettbewerbsfähigkeit und zukünftiges Wirtschaftswachstum 4

Umweltdaten

Das Energie-Dashboard der ZEIT ONLINE bietet einen umfassenden Überblick über die aktuelle Energiesituation in Deutschland und zeigt wichtige Indikatoren zur Energiewende. Das Dashboard wird täglich aktualisiert und bietet interaktive Grafiken, die einen schnellen und anschaulichen Überblick über die komplexen Zusammenhänge der Energiewende ermöglichen 1 4.

Der CO2-Ausstoß in Deutschland hat sich seit 1990 deutlich reduziert:

  • Die Treibhausgasemissionen in Deutschland sind von 1990 bis 2024 um 48% gesunken.
  • Im Jahr 2024 betrugen die Emissionen 656 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente 9.
  • Dies entspricht dem niedrigsten Stand seit den 1950er Jahren 5.
  • Trotz der positiven Gesamtentwicklung bestehen weiterhin Herausforderungen, insbesondere in den Sektoren Verkehr und Gebäude, um die langfristigen Klimaziele zu erreichen

Politische Kennzahlen

Korruptionsindex: Der Korruptionswahrnehmungsindex (CPI) misst die wahrgenommene Korruption im öffentlichen Sektor eines Landes. Ein niedriger Wert deutet auf ein hohes Maß an Korruption hin, was das Vertrauen in staatliche Institutionen schwächen kann.

Demokratieindex: Dieser Index bewertet den Zustand der Demokratie in einem Land anhand von Kriterien wie Wahlprozessen, politischer Teilhabe und bürgerlichen Freiheiten. Er bietet eine umfassende Einschätzung der politischen Stabilität.

Pressfreiheit: Der Index zur Pressefreiheit misst die Möglichkeiten von Journalisten, ohne Einschränkungen oder Angst vor Repressionen zu arbeiten. Eine hohe Pressefreiheit ist essenziell für eine transparente und verantwortungsvolle Regierung.

Sozialökonomische Kennzahlen

Armutsgefährdungsquote: Die Armutsgefährdungsquote in Deutschland lag 2023 bei 14,4% der Bevölkerung, was etwa 12 Millionen Menschen entspricht 5 15. Als armutsgefährdet gelten Personen, die weniger als 60% des mittleren Einkommens zur Verfügung haben. Das mittlere Einkommen in Deutschland, auch als Medianeinkommen bezeichnet, beträgt aktuell 3.796 Euro brutto pro Monat für Vollzeitbeschäftigte. Dieser Wert ist im Jahr 2023 um 4,1% oder 150 Euro im Vergleich zum Vorjahr gestiegen 1 5.

Vermögensverteilung: Die Vermögensverteilung beschreibt, wie das Vermögen innerhalb einer Gesellschaft verteilt ist. Eine ungleiche Verteilung kann soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten verstärken und politische Spannungen hervorrufen. Die Vermögensverteilung in Deutschland ist durch eine ausgeprägte Ungleichheit gekennzeichnet. Der Gini-Koeffizient für Vermögen lag 2022 bei 0,772, was eine hohe Konzentration des Vermögens bei wenigen Haushalten widerspiegelt 1. Die reichsten 10 Prozent der Haushalte besitzen etwa 60 Prozent des Gesamtvermögens, während die unteren 20 Prozent kein nennenswertes Vermögen aufweisen 2

Deutschland verzeichnet einen Rekord an Milliardären, mit 249 Personen, die ein Vermögen von einer Milliarde Euro oder mehr besitzen 1. Dies stellt einen deutlichen Anstieg gegenüber früheren Jahren dar, wobei die Zahl der Milliardäre im Jahr 2001 noch bei 69 lag 2.

Lebenserwartung: Die durchschnittliche Lebenserwartung ist ein Indikator für die Qualität des Gesundheitssystems und den allgemeinen Lebensstandard. Die Lebenserwartung in Deutschland hat sich in den letzten Jahrzehnten deutlich erhöht, zeigt aber in jüngster Zeit eine leichte Stagnation. Nach den neuesten Daten des Statistischen Bundesamtes beträgt die durchschnittliche Lebenserwartung bei Geburt in Deutschland:

  • Für Frauen: 83,3 Jahre
  • Für Männer: 78,6 Jahre 7

Diese Werte sind im Vergleich zum Vorjahr um etwa 0,4 Jahre gestiegen, nachdem sie während der Corona-Pandemie leicht gesunken waren.

Wohlstand: Wohlstand umfasst die Lebensqualität und den materiellen Reichtum einer Gesellschaft. Er wird oft durch Indikatoren wie Einkommen, Vermögen und Zugang zu Ressourcen gemessen. Derzeit lässt sich feststellen, dass der Wohlstand in Deutschland, gemessen an breiteren Indikatoren, deutlich langsamer gewachsen ist als das BIP. Aktuelle Herausforderungen und strukturelle Veränderungen deuten darauf hin, dass auch in naher Zukunft nur mit moderaten Wohlstandszuwächsen zu rechnen ist.

Bedeutung der Kennzahlen

Kennzahlen wie diese sind der Schlüssel, um politische und wirtschaftliche Entscheidungen auf einer soliden Basis zu treffen. Sie offenbaren, wie stabil ein Land wirklich ist, wie wettbewerbsfähig seine Wirtschaft agiert und ob soziale Gerechtigkeit mehr als nur ein Lippenbekenntnis ist. Doch Vorsicht: in rechtspopulistischen Kreisen ist eine Strategie weit verbreitet: die gezielte Umdeutung wirtschaftlicher Kennzahlen. Ein genauerer Blick offenbart, wie die Partei Statistiken und ökonomische Daten für ihre politischen Zwecke instrumentalisiert.

Ein prägnantes Beispiel lieferte AfD-Spitzenpolitikerin Alice Weidel in einem vielbeachteten Gespräch mit Elon Musk. Sie behauptete, Deutschland habe die höchsten Steuern aller OECD-Länder. Diese Aussage ist eine klare Fehlinterpretation der Daten. Deutschland führt in keiner der acht OECD-Haushaltskategorien als Land mit den höchsten Steuerabgaben. Im Vergleich der Steuer- und Sozialabgaben zum BIP lag Deutschland 2023 lediglich auf Platz 12 der OECD-Länder. 

Prof. Dr. Marcel Fratzscher, Präsident des DIW Berlin, erklärte: "Die AfD nutzt ökonomische Daten selektiv, um ein Krisenszenario zu zeichnen, das mit der wirtschaftlichen Realität wenig zu tun hat. Diese Taktik zielt darauf ab, Ängste zu schüren und einfache Lösungen für komplexe Probleme anzubieten." Andere konservative Kreise stehen in Nichts nach, wenn sie dieses Vorgehen kopieren. 

Welche Kennzahlen halten Sie für wichtig? Welche Daten sind in Ihren Diskussionen von Belang?