Staatsschulden: Keine Belastung für künftige Generationen

Vergleich Inflation und Schulden

Die deutsche Politik ist geprägt von der Sorge um die "Schuldenlast", die wir angeblich unseren Kindern und Enkeln aufbürden. Mit fast religiösem Eifer wird die "Schwarze Null" verteidigt, und Staatsschulden werden als moralisches Vergehen an künftigen Generationen gebrandmarkt. Doch diese Sichtweise basiert auf fundamentalen Missverständnissen über die Natur von Staatsschulden.

Der Unterschied zwischen Privathaushalt und Staat

"Ein Staat ist kein schwäbischer Haushalt", erklärt der Wirtschaftsprofessor Heiner Flassbeck. Die simple Gleichsetzung von Staatsfinanzen mit dem privaten Geldbeutel führt zu falschen Schlussfolgerungen.

Anders als Privatpersonen kann ein Staat:

  • In seiner eigenen Währung Schulden aufnehmen
  • Praktisch unbegrenzt lange Schulden haben
  • Durch Steuern Einnahmen generieren
  • Über die Zentralbank indirekt die Geldpolitik beeinflussen

Schulden sind immer auch Vermögen

Der entscheidende Punkt: Staatsschulden existieren nicht im luftleeren Raum. Sie sind gleichzeitig das Vermögen anderer Wirtschaftsakteure.

"Wenn der Staat eine Anleihe über 1.000 Euro ausgibt, dann bedeutet das, dass jemand anderes - sei es ein Privatanleger, eine Pensionskasse oder eine Bank - ein Wertpapier im Wert von 1.000 Euro besitzt", erläutern Finanzexperten. "Die Schuld des einen ist das Vermögen des anderen."

Diese Dualität wird in der öffentlichen Debatte oft ausgeblendet. Staatsanleihen gehören zu den sichersten Anlagemöglichkeiten und bilden die Grundlage vieler Altersvorsorgeprodukte.

Der geschlossene Wirtschaftskreislauf

Auch die Vorstellung, dass "wir" die Schulden an "kommende Generationen" zurückzahlen müssen, verkennt die Realität einer Volkswirtschaft.

Wenn ein Staat seine Schulden bedient, fließt das Geld an die Inhaber der Staatsanleihen - und das sind in der Regel Mitglieder derselben Gesellschaft. Es findet eine Umverteilung innerhalb der Generation statt, keine Belastung künftiger Generationen.

Selbst wenn eine zukünftige Generation die Schulden bezahlen muss, wird das Geld an Mitglieder eben dieser Generation fließen, die die Anleihen besitzen.

Investitionen in die Zukunft

"Die eigentliche Frage ist nicht, ob wir Schulden machen, sondern wofür", meint Maurice Höfgen, Vertreter der Modern Monetary Theory.  Wenn der Staat heute Kredite aufnimmt, um marode Brücken zu sanieren, digitale Infrastruktur aufzubauen oder das Bildungssystem zu modernisieren, profitieren gerade die künftigen Generationen davon.

Die wahre Belastung für unsere Kinder wäre ein unterfinanziertes Bildungssystem, eine veraltete Infrastruktur und ein verschleppter Klimaschutz. 

Der Japan-Vergleich

Japan hat eine Staatsschuldenquote von über 250 Prozent des BIP - mehr als doppelt so hoch wie Deutschland. Dennoch gibt es dort keine Staatsschuldenkrise. Japan zeigt, dass ein Land mit einer viel höheren Verschuldung durchaus funktionieren kann, solange die Schulden in der eigenen Währung aufgenommen werden und die Zentralbank entsprechend agiert. 

Die japanische Wirtschaft kämpft mit vielen Problemen, aber die Staatsschulden gehören nicht dazu.

Die eigentlichen Lasten für künftige Generationen

Was belastet künftige Generationen wirklich? Der Klimawandel, demografische Veränderungen, soziale Ungleichheit und mangelnde Investitionen in Bildung und Infrastruktur.

Die Reduzierung dieser Probleme auf die Frage der Staatsschulden lenkt von den eigentlichen Herausforderungen ab. Wenn wir heute notwendige Investitionen in den Klimaschutz unterlassen, um die 'Schuldenbremse' einzuhalten, ist das keine Generationengerechtigkeit, sondern das Gegenteil.

Ein neues Narrativ ist nötig

Die Debatte um Staatsschulden muss differenzierter geführt werden. Entscheidend ist nicht die absolute Höhe der Schulden, sondern das Verhältnis zum Wirtschaftswachstum, die Verwendung der Mittel und die Struktur der Gläubiger.

Statt einer reflexartigen Verurteilung von Staatsschulden brauchen wir eine sachliche Diskussion darüber, wie der Staat seine finanziellen Möglichkeiten optimal für gegenwärtige und zukünftige Generationen einsetzen kann.

Denn die wahre Bürde für unsere Nachkommen sind nicht Zahlen in Haushaltsbüchern, sondern die realen Probleme, die wir ihnen hinterlassen.