100 Wirtschaftsverbände fordern, liefern aber nicht!

Es ist wieder so weit: Die Koalitionsverhandlungen laufen, und wie auf Knopfdruck melden sich über 100 Wirtschaftsverbände mit einem Forderungskatalog. Wie immer soll der Staat es richten, während die Unternehmen selbst eher passiv abwarten. Aber funktioniert das wirklich so einfach?

Die üblichen Verdächtigen

Der Wunschzettel der Verbände liest sich wie ein Best-of der letzten Jahrzehnte. Vier Kernforderungen haben es diesmal auf die Agenda geschafft:

1. Bürokratieabbau: Der ewige Klassiker. Natürlich gibt es unnötige Berichtspflichten und überflüssige Formulare. Aber viele Regulierungen dienen dem Verbraucherschutz, der Umwelt oder fairen Arbeitsbedingungen. Dass die Wirtschaftslobby ausgerechnet jetzt wieder nach weniger "Bürokratie" schreit, lässt vermuten, dass ihr vor allem jene Regularien ein Dorn im Auge sind, die sie zu nachhaltigerem Wirtschaften zwingen würden.

2. Wettbewerbsfähige Energiepreise: Ein berechtigter Punkt, aber auch hier fehlt die Differenzierung. Statt pauschal nach billigerer Energie zu rufen, könnten die Verbände ihre Mitglieder zu mehr Energieeffizienz animieren. Die gleiche Lobby, die heute über hohe Preise klagt, hat übrigens jahrelang die Energiewende ausgebremst, die uns unabhängiger von teuren Importen gemacht hätte.

3. Flexible Arbeitszeiten: Übersetzt bedeutet das meist: "Wir wollen mehr Leistung für gleiches Geld." Die angeblich notwendige Flexibilisierung geht fast immer zu Lasten der Beschäftigten. In Zeiten von Fachkräftemangel wäre es klüger, attraktivere Arbeitsmodelle zu entwickeln, statt die gleichen alten Forderungen aufzuwärmen.

4. Steuerliche Entlastungen: Steuerentlastungen können durchaus sinnvoll sein – aber nur unter einer klaren Bedingung: Die Unternehmen müssen aufhören zu sparen und stattdessen wieder massiv investieren. Derzeit sitzen deutsche Konzerne auf Milliarden an Rücklagen, während Investitionen in Zukunftstechnologien und Infrastruktur ausbleiben. Eine Steuerentlastung, die nur zu höheren Dividendenzahlungen oder Aktienrückkäufen führt, ist volkswirtschaftlicher Unsinn. Die Politik sollte jeden Steuervorteil an verbindliche Investitionszusagen koppeln. 

Der Elefant im Raum: Die Eigenverantwortung

Was in dem Forderungskatalog völlig fehlt: Die Frage, was die Wirtschaft selbst tun kann und muss. Wo bleiben die Selbstverpflichtungen zu mehr Investitionen in Forschung und Entwicklung? Warum gibt es keine konkrete Strategie, wie deutsche Unternehmen endlich beim Thema Digitalisierung aufholen wollen?

Die deutsche Wirtschaft ruht sich zu oft auf alten Erfolgen aus. Während andere Länder bei Künstlicher Intelligenz, erneuerbaren Energien oder digitalen Plattformen voranpreschen, verharren viele deutsche Unternehmen in einer Komfortzone. Die Qualität deutscher Produkte ist in manchen Bereichen nicht mehr das, was sie einmal war – von der Bahn bis zum Automobil.

Produktqualität im freien Fall

Was früher einmal als Gütesiegel galt – "Made in Germany" – steht heute allzu oft für Mittelmaß zu Premium-Preisen. Die Liste der Qualitätsmängel wird immer länger: Software-Pannen in Elektroautos, Züge mit chronischen Ausfällen, Haushaltsgeräte mit geplanter Obsoleszenz, lückenhafte Breitbandnetze. Deutsche Unternehmen müssen ihre Produktqualität WESENTLICH steigern, um international wettbewerbsfähig zu bleiben.

Die Beschwerden von Verbrauchern häufen sich, während die Verbände lieber mit dem Finger auf die Politik zeigen. Statt immer neue Subventionen zu fordern, sollten die Unternehmen in Langlebigkeit, Reparierbarkeit und echte Innovation investieren. Was nützen staatliche Förderungen, wenn am Ende Produkte entstehen, die im globalen Vergleich bestenfalls Mittelmaß sind?

Ein neuer Gesellschaftsvertrag muss her

Statt einseitiger Forderungen bräuchten wir einen neuen Deal: Der Staat schafft bessere Rahmenbedingungen, aber die Wirtschaft verpflichtet sich im Gegenzug zu mehr Innovation, besserer Produktqualität und zukunftsfähigen Investitionen.

Das bedeutet konkret:

  • Ja zum Bürokratieabbau, aber im Gegenzug mehr freiwillige Transparenz der Unternehmen
  • Ja zu wettbewerbsfähigen Energiepreisen, aber gekoppelt an verbindliche Effizienzsteigerungen
  • Ja zu mehr Flexibilität, aber als echte Zweibahnstraße, die auch den Beschäftigten nutzt
  • Ja zu gezielten steuerlichen Entlastungen, aber nur für Unternehmen, die nachweislich investieren und innovieren

Die Zeit der einseitigen Forderungskataloge sollte vorbei sein. In einer Welt, in der die Krisen sich überschlagen, können wir uns ein "Weiter so" nicht leisten. Die Wirtschaftsverbände täten gut daran, nicht nur zu fordern, sondern auch zu liefern.