Architekten müssen Werkstattpläne der Gewerke genau prüfen – sonst drohen teure Haftungsrisiken
Ein kleiner Strich zu viel, ein Maß zu wenig: Was in den Werkstatt- und Montageplänen der Handwerker steht, kann über Erfolg oder Scheitern eines Bauprojekts entscheiden. Und über die Brieftasche des Architekten.
Die meisten Bauherren wissen nicht einmal, was Werkstatt- und Montagepläne sind. Dabei sind diese detaillierten technischen Zeichnungen das Herzstück jeder Bauausführung. Werkstattpläne entstehen in der Werkstatt zur Herstellung des Werkstücks, Montagepläne werden auf der Baustelle zur Montage gebraucht. Hier wird festgelegt, wie der Stahlbauer seine Träger schweißt, wo der Trockenbauer seine Profile setzt und wie der Fassadenbauer seine Elemente befestigt. Der Architekt muss all das prüfen – und haftet, wenn er Fehler übersieht.
Pflicht mit Fallstricken
"Werkstattplanprüfung ist wie Lotto spielen", scherzt ein erfahrener Architekt aus Hamburg, der anonym bleiben möchte. "Nur dass man bei Lotto wenigstens weiß, was man zu erwarten hat." Die Rechtslage ist eindeutig: Nach der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) gehört die Prüfung von Montageplänen zu den Grundleistungen in Leistungsphase 5 (§ 34 Abs. 3 Nr. 5, Grundleistung f). Dabei geht es nicht um eine vollständige technische Kontrolle, sondern um die Überprüfung auf offenkundige Fehler und solche, die mit der erwartbaren Fachkenntnis erkennbar sind.
Doch was einfach klingt, ist in der Praxis hochkomplex. Architekten müssen konkret prüfen: Übereinstimmung mit den Ausführungsplänen und der Baugenehmigung, Einhaltung der Geometrie und technischer Regeln, sowie Funktion und Qualität. Von Architekten wird keine Detailprüfung erwartet - das Problem: Genormte Standards zu Form und Umfang der Prüfpflicht fehlen. Ein Lüftungsrohr, das plötzlich durch einen Stahlträger führen soll? Ein Aufzugschacht, der zwei Zentimeter zu schmal geplant ist? Solche "Kleinigkeiten" können Baustellen wochenlang stilllegen.
Haftung ohne Grenzen?
Die Haftungsrisiken sind erheblich, aber nicht unbegrenzt. Der Architekt haftet für erkennbare Fehler und solche, die mit seiner zu erwartenden Fachkenntnis aufgedeckt werden müssen. Eine tiefgehende technische Detailprüfung, die Spezialwissen des jeweiligen Gewerks voraussetzt, ist nicht geschuldet. Erkennt er jedoch, dass ihm die nötige Fachkenntnis fehlt, muss er den Bauherrn darüber informieren, damit gegebenenfalls ein Sonderfachmann hinzugezogen werden kann. Das bestätigte das Oberlandesgericht München in einem vielbeachteten Urteil von 2019: Ein Architekt musste fast 300.000 Euro Schadenersatz zahlen, weil er fehlerhaft koordinierte Werkstattpläne nicht beanstandet hatte. Entscheidend war, dass die Fehler für einen Architekten mit entsprechender Sorgfalt erkennbar gewesen wären.
"Die Rechtsprechung zeigt eine klare Tendenz", erklärt ein Baurechtsexperte. "Architekten können sich nicht darauf berufen, dass sie ja nur prüfen, was andere ihnen vorlegen. Sie müssen aktiv koordinieren und Widersprüche erkennen."
David gegen Goliath
Besonders prekär wird es, wenn große Baukonzerne oder Generalunternehmer mit standardisierten Werkstattplänen auffahren. Architekten kleiner Büros müssen dann hochkomplexe Planungsunterlagen prüfen, für die auf der anderen Seite ganze Ingenieursteams zuständig sind. "Es ist ein bisschen wie David gegen Goliath", sagte uns ein Architekt aus Köln. "Nur dass David diesmal ohne Schleuder dasteht."
Auswege aus der Haftungsfalle
Experten raten Architekten zu defensiven Strategien. Die Prüfung muss dokumentiert werden - mit Sichtvermerk, Prüfstempel oder digitalem Workflow samt Prüfer und Prüfdatum. Abweichende oder unvollständige Montagepläne sind als Mangel mit Fristsetzung zur Nachbesserung zurückzuweisen. Bereits in der Ausschreibung sollten Architekten festlegen, in welcher Form die Pläne überreicht werden sollen. "Wer sauber arbeitet und nachweisen kann, was er geprüft hat, ist rechtlich besser aufgestellt", so LackTrack.
Manche Architekturbüros gehen noch weiter und lagern die Werkstattplanprüfung komplett an spezialisierte Ingenieurbüros aus. Das ist teurer, reduziert aber das Haftungsrisiko erheblich. Andere vereinbaren mit ihren Auftraggebern Haftungsbeschränkungen oder schließen erweiterte Berufshaftpflichtversicherungen ab. Ein wichtiger Hinweis aus der Praxis: Bei mehrfacher Prüfung derselben Pläne ist das Honorar nach § 10 Abs. 2 HOAI schriftlich zu vereinbaren.
Politik gefordert
Der Bundesarchitektenkammer ist das Problem bewusst. "Wir brauchen klarere Regelungen, was von Architekten bei der Werkstattplanprüfung verlangt werden kann", fordert Präsidentin Barbara Ettinger-Brinckmann. Die Novellierung der HOAI, die seit Jahren diskutiert wird, könnte hier Abhilfe schaffen.
Bis dahin bleibt Architekten nur, besonders sorgfältig zu sein – und zu hoffen, dass die nächste Werkstattplanlieferung nicht zur Kostenfalle wird. Denn eines ist sicher: Gebaut wird trotz allem weiter. Und irgendwer muss ja prüfen, ob alles zusammenpasst.
Muster für einen Prüfvermerk aus Merkblatt der Bayerischen Aritektenkammer:
„Die Prüfung erfolgte hinsichtlich Übereinstimmung mit der
Ausführungsplanung. Die Eintragungen, das Leistungsverzeichnis
und die Ausführungspläne des Architekten und der Fachplaner,
insbesondere des Tragwerkplaners, sind zu beachten. Die
vertraglichen Pflichten des Auftragnehmers bleiben unberührt (u.a.
hinsichtlich Produkte, Maße und Massen).
Die Anmerkungen und Korrektureinträge haben keinen Anspruch
auf Vollständigkeit und technische Umsetzbarkeit, für die der
Auftragnehmer verantwortlich ist.
Wir (Architekturbüro) gehen davon aus, dass die vorgelegte
Montageplanung vertragskonform ist. Sollten die Montagepläne
zusätzliche Nachtragsleistungen enthalten, bzw. sich solche bei
deren Umsetzung ergeben, sind diese unverzüglich dem
Auftraggeber zu benennen. Durch die Prüfung erfolgt keine
Zustimmung/Freigabe evtl. enthaltener zusätzlicher oder geänderter
Nachtragsleistungen.“