Zehn Jahre für ein Gebäude: Wie der Bund sich selbst ausbremst

Bürokratie

Wie RBBau und RZBau zu Zeitfressern wurden – und was dagegen hilft

Zehn Jahre von der ersten Idee bis zum Einzug. Das ist bei öffentlichen Bauvorhaben in Deutschland heute keine Ausnahme, sondern trauriger Regelfall. Ein Jahrzehnt, in dem andere Länder drei Gebäude hochziehen, zwei wieder abreißen und durch Neubauten ersetzen könnten. Wer sich fragt, warum Deutschland beim Bauen so quälend langsam ist, landet schnell bei den üblichen Verdächtigen: zu wenig Personal, kompliziertes Baurecht, föderale Zuständigkeiten. Alles richtig. Aber es gibt noch einen blinden Fleck in der Debatte – die hausgemachten Hürden in RBBau und RZBau.

Die Regelwerke: Vom Leitfaden zum Labyrinth

Die Richtlinien für die Durchführung von Bauaufgaben des Bundes (RBBau) regeln, wie bundeseigene Bauvorhaben abzuwickeln sind – von der ersten Planung bis zur Abnahme. Sie gelten für alle zivilen Baumaßnahmen des Bundes, egal ob Ministeriumsneubau, Grenzübergangsstelle oder Bundesbehörde. Die RZBau, die Richtlinie für die Durchführung von Bauaufgaben der zivilen Ressorts, konkretisiert diese Vorgaben noch einmal speziell für die zivilen Bundesbauten und ergänzt die RBBau um weitere Detailanforderungen.

Beide Regelwerke definieren Zuständigkeiten, Verfahrensabläufe, Genehmigungsstufen und Dokumentationspflichten. Sie legen fest, wann welche Unterlagen vorzulegen sind, wer was zu entscheiden hat und wie die Qualitätssicherung aussehen soll. Ursprünglich gedacht als Leitfaden für einheitliche Standards und effiziente Abläufe, sind sie über Jahrzehnte zu mehrhundertseitigen Mammutwerken angewachsen. Was als Hilfestellung beginnt, endet als Hürdenlauf.

Das Problem: Diese Regelwerke sind für Bauleute, Planer und Architekten, die mit Bundesbauten zu tun haben, nicht optional. Sie sind verbindlich. Und sie sind der Grund, warum Planungs- und Genehmigungsphasen bei Bundesbauten heute oft länger dauern als die Bauphase selbst. Die gute Nachricht: Entbürokratisierung ist möglich. Man muss sich nur erst mal selbst an die Nase fassen.

Das Ritual der formlosen Beantragung

Beginnen wir bei der sogenannten "formlosen Beantragung". Was harmlos klingt, entpuppt sich in der Praxis als erster Zeitfresser. Bevor ein Bauvorhaben offiziell starten kann, müssen Bauherren formlos – also theoretisch unbürokratisch – anfragen, ob sie überhaupt bauen dürfen. Formlos heißt aber nicht einfach. Es bedeutet: Ein Schreiben aufsetzen, das alle relevanten Informationen enthält, ohne dass klar wäre, welche das genau sind. Die Folge sind Rückfragen, Nachreichungen und verlorene Wochen.

Warum nicht direkt mit einem strukturierten, digitalen Formular arbeiten? Checkboxen, Pflichtfelder, automatische Plausibilitätsprüfung – Technologie, die seit zwanzig Jahren Standard ist. Stattdessen hält man am Ritual der Formlosigkeit fest, als wäre Bürokratie dann weniger bürokratisch, wenn man sie nicht Formular nennt.

Koordinierungsrunden: Wo Zeit verschwindet

Dann die berüchtigten Koordinierungsrunden im Vorfeld. Grundsätzlich eine gute Idee: Alle Beteiligten an einen Tisch holen, Konflikte früh klären, gemeinsam planen. In der Realität aber oft ein endloses Pingpong zwischen Bauamt, Nutzern, Fachplanern und wechselnden Ansprechpartnern. Drei Runden, fünf Runden, manchmal mehr – bis alle mal da waren und bis sich alle einig sind, welche Unterlagen nun wirklich gebraucht werden.

Das Problem: Es gibt keine verbindliche Checkliste, keine klare Definition, wann eine Abstimmung abgeschlossen ist. Jede Behörde, jede Dienststelle interpretiert die Anforderungen anders. Was in Hamburg akzeptiert wird, reicht in München nicht. Was letztes Jahr galt, ist dieses Jahr überholt. Die Folge: Planungsbüros erstellen Unterlagen auf Verdacht, in der Hoffnung, dass es diesmal reicht.

Der Unterlagen-Overkill

Apropos Unterlagen: Die Liste dessen, was bei Genehmigungsverfahren vorzulegen ist, liest sich wie ein Wunschkonzert. Bauzeichnungen, Brandschutzkonzept, Standsicherheitsnachweis, Energiekonzept, Umweltverträglichkeitsprüfung, Lärmgutachten – alles nachvollziehbar. Aber dann: drei verschiedene Varianten der Grundrisse (in unterschiedlichen Maßstäben), Schnitte, Ansichten, Perspektiven, Visualisierungen. Dazu Kostenberechnungen nach DIN 276, Terminpläne, Funktionsbeschreibungen, Raumstammdaten, Nutzerbedarfsprogramme.

Manches davon ist zweifellos wichtig. Vieles aber entsteht aus reiner Gewohnheit. "Haben wir schon immer so gemacht" ist keine Begründung für ein Dokument, das niemand liest. Es braucht eine ehrliche Inventur: Was ist wirklich entscheidungsrelevant? Was kann später nachgereicht werden? Und was ist schlicht überflüssig?

Formulare, Formulare, Formulare

Die Formularflut ist ein Kapitel für sich. Für jede Phase des Bauvorhabens gibt es eigene Formulare, oft noch in verschiedenen Versionen für verschiedene Zuständigkeiten. Manche sind beschreibbare PDFs, andere müssen ausgedruckt und handschriftlich ausgefüllt werden. Wieder andere existieren nur als Word-Datei ohne Ausfüllhilfe. Ein digitaler Workflow? Fehlanzeige.

Dabei wäre die Lösung so nahe: Ein zentrales, digitales Antragssystem, das je nach Projekttyp und -phase die relevanten Formulare automatisch zusammenstellt. Mit Plausibilitätschecks, Verknüpfung zu bereits eingegebenen Daten, direkter Weiterleitung an die zuständigen Stellen. Kein Medienbruch, keine Doppeleingaben, keine verlorenen Unterlagen.

Mut zur Radikalkur

Natürlich ist Bauen komplex. Natürlich müssen Sicherheit, Brandschutz, Statik gewährleistet sein. Aber Gründlichkeit und Geschwindigkeit schließen sich nicht aus. Im Gegenteil: Klare, schlanke Prozesse führen zu besseren Ergebnissen als bürokratische Absicherungsrituale.

Was es braucht, ist eine Radikalkur bei RBBau und RZBau. Nicht Flickschusterei, sondern grundlegendes Entrümpeln:

Erstens: Formlose Beantragung abschaffen, strukturierte Erstanfrage mit digitaler Checkliste einführen.

Zweitens: Koordinierungsrunden auf maximal zwei begrenzen, mit verbindlicher Agenda und klaren Meilensteinen.

Drittens: Unterlagenkatalog radikal kürzen. Nur das einfordern, was für die jeweilige Entscheidungsphase wirklich nötig ist.

Viertens: Alle Formulare digitalisieren und in einer zentralen Plattform bündeln. Medienbrüche eliminieren.

Fünftens: KI-gestützte Vorprüfung einsetzen. Künstliche Intelligenz kann Anträge auf Vollständigkeit prüfen, Plausibilitätschecks durchführen und Widersprüche in Unterlagen erkennen – automatisiert, innerhalb von Minuten statt Wochen. Was heute wochenlang in der Sachbearbeitung liegt, bis jemand feststellt, dass eine Unterschrift fehlt oder zwei Angaben nicht zusammenpassen, könnte sofort nach Einreichung geprüft werden. Das beschleunigt nicht nur die Verfahren, sondern entlastet auch die Fachleute von Routineprüfungen, damit sie sich auf die wirklich komplexen Fragen konzentrieren können.

Der Ball liegt im eigenen Feld

Die Ironie der Entbürokratisierungsdebatte: Während Politik und Verwaltung über zu komplexes Baurecht klagen, verkomplizieren sie ihre eigenen Verfahren. Die gesetzlichen Vorgaben für Baugenehmigungen sind oft gar nicht das Problem – es sind die selbstgeschaffenen Prozesse drumherum.

Deutschland braucht nicht noch eine Arbeitsgruppe, die Vorschläge erarbeitet, die dann in der Schublade verschwinden. Es braucht den Mut, die eigenen Regelwerke kritisch zu hinterfragen. RBBau und RZBau sind keine heiligen Texte, sondern Arbeitsinstrumente. Und Werkzeuge, die nicht mehr funktionieren, gehören ausgetauscht.

Entbürokratisierung ist einfach. Man muss sich nur erst mal selbst an die Nase fassen.

 

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